Chronophobie - Angst vor der Zeit

05.11.2016 17:51
#1
avatar

Sie hat mich gepackt: Nur noch 2 Jahre, dann bin ich ein halbes Jahrhundert alt, habe jetzt schon mehr als ein halbes Menschenleben hinter mir, verdiene kein eigenes Geld, lebe eigentlich in Armut, sehe total scheiße aus und bin krank. Nicht nur psychisch. Ich hab Adipositas per Magna. Das ist extremes Übergewicht, dadurch kann man Diabetes, Herzinfark und Schlaganfall kriegen. Und ich hab jetzt Angst. Weil so viel hinter mir liegt und so wenig nur noch vor mir, weil ich die Zeit, die nach der 50 kommt, vielleicht nicht mehr genießen kann. Vielleicht bin ich bald zu alt zum Zelten, wegen der Kniearthrose. Weil das weh tut im Knie, und ich immer vom Knien in den Stand kommen muss. Dann kann ich mir nicht mehr Urlaub leisten, wenn ich ihn brauche, da muss ich planen und mir möglichst günstige Unterkünfte suchen.

Vielleicht kann ich bald nicht mehr so lange auf den Beinen sein, dass ich einen ganzen Zoobesuch hinter mich bringen kann. Vielleicht falle ich meinem Mann zur Last, weil wir vor Ort einen Rollstuhl ausleihen müssen, mit dem er mich rum schieben muss. Vielleicht werde ich auch noch fetter, so dass ich sogar auf der Toilette ne Art Zange brauch... Ach die Liste der Ängste ist lang, ich habe gegoogelt und die Angst vor der Zeit, die Chronophobie, beschreibt die Angst davor, dass die Zeit zu schnell verrinnt. Die hab ich, weil ich mehrere Projekte am Laufen hab, musikalisch, schriftlich, handarbeitstechnisch, die ich alle noch zuende bringen will, bevor das Alterssiechtum anfängt.

Mit dem rechten Handgelenk habe ich jetzt schon oft Probleme. Mal tut die Handwurzel weh bei bestimmten Tätigkeiten, mal das Daumengelenk. Dann kann ich nicht mal mehr stricken und wieder liegt was rum, was nicht fertig wird. Die Angst vor der Zeit, in der ich das nicht mehr machen kann, was einfach zu mir gehört, sprich schreiben, stricken usw. wird immer größer. Sollte ich wirklich mal im Rollstuhl draußen rum fahren müssen, das ist für mich nicht ganz so schlimm. Aber die Sache mit den Händen, die stimmt mich ängstlich. Das ist ja eigentlich alles, was mir Spaß macht und wozu ich sozusagen geboren wurde, schreiben, Musik machen, Stricken, Häkeln.

Und ich hab mir in den Kopf gesetzt, wenn ich zu nichts mehr in der Lage bin, was ich gewohnt bin, zu tun, mache ich Schluss. Dann bin ich für die Mitmenschen eine Last, und das Leben mit dem Gebrechen ist für mich eine. Deshalb tickt die Uhr. Schaff ich es noch? Kann ich gehen, wenn es nicht geschafft ist? Wie ist es mit euch? Habt ihr Angst vor dem Alt werden?

Ich glaube Alt werden ist nicht schwer, aber Alt Sein und es geht nur noch Rückwärts, das muss furchtbar sein.

viele Grüße
Bipolara

Homepage ohne www eingeben: draculara.de oder draculara.com

 Antworten

 Beitrag melden
12.11.2016 00:51
avatar  Anna
#2
An

Hallo liebe Bipolara,

einiges aus deinem Text hätte auch von mir stammen können!
Ich sehe zu, wie die Zeit weg läuft, bin dabei auch nicht gesund, und mein Körper bröselt an allen Ecken und Kanten.
Nun bin ich ja gut ein paar Jahre älter als du, aber ich mag mich damit nicht abfinden.

Es ist einfach so, alt werden ist nichts für Feiglinge!
Ich vermute aber, ein Teil deines Kummers stammt auch daher, dass du einige Krankheiten mit dir schleppst.
Hast du einen Arzt oder eine Ärztin, dem / der du vertrauen kannst?
Bei einer besseren Gesundheit drücken die Jahre auch nicht so heftig.

Ich bin in der Phase, die ich Bonus-Zeit nenne. Geschenkte Jahre, in denen vieles nicht mehr klappt, und anderes dafür umso besser. Schauen, genießen, nachdenken, verstehen ... Speziell auch das. Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden: Eine wunderbare Zeit, nicht ständig, klar. Aber doch sehr oft.

Du bist in einer Umbruchszeit, das Bekannte ist nicht mehr wie davor, aber das neue - ich nenne es mal so - weisere Leben ist auch noch nicht da. Das kann ganz schön Angst machen!

Liebe Grüße, und viel Mut,
Anna

_______________________________
Viele Grüße von Anna


 Antworten

 Beitrag melden
12.11.2016 15:30
#3
avatar

Hallo Anna,

also noch an Krankheiten habe ich Kniearthrose, Morbus Scheuermann (Rundrücken) und Schilddrüsenunterfunktion durch das Lithium. Dazu kommt noch Bluthochdruck, gegen den ich Betablocker nehme, und eine Hautkrankheit, die sich in Rötung und Schuppung äußert, tritt nur im Gesicht auf und nur in der Zeit von Mai bis Oktober. Vielleicht habe ich deshalb auch so ne Angst vor Siechtum im Alter.

Das ist dann so, dass man nicht mehr jederzeit überall hin verreisen kann, wohin man will. Davor graut mir am meisten, denn das macht doch das Leben erst lebenswert, andere Orte zu sehen usw.

viele Grüße
Bipolara

Homepage ohne www eingeben: draculara.de oder draculara.com

 Antworten

 Beitrag melden
Bereits Mitglied?
Jetzt anmelden!
Mitglied werden?
Jetzt registrieren!