Er bipolar - ich schwanger

07.11.2017 03:32
#1
Li

Hallo,

ich bin ca. in der 30. Woche schwanger und mit dem Vater (Ikul) seit ca. 3 Jahren zusammen. Meine Schwangerschaft war anscheinend der Auslöser für seine bipolare Krankheit. Er war die ersten Monate manisch und ist jetzt die letzten Monate depressiv.

Mein Beitrag ist ein Gedankenlauf von mir, den ich aufschreiben und mit jemandem teilen wollte. Da ich um halb 4 in der Früh (und eigentlich auch sonst) niemanden persönlich damit belästigen will und kann, teile ich diese Gedanken mit euch. Ich würde mich über Kommentare, Ratschlage, Fragen, o.Ä. sehr freuen.

LG
Lilly

Ich hab mich noch nie in meinem Leben so alleine gefühlt.
Es ist anstrengend immer die starke Frau zu sein, die fröhlich, freundlich und immer gut drauf ist. So tut als ob alles in bester Ordnung wäre und sie sich auf ihr kleines Baby freut. Natürlich freu ich mich. Oder versuche ich mir das nur einzureden? Wie soll ich mich denn auch freuen? Meine einzigen Gedanken drehen sich um den kranken Ikul und um die nicht machbare Uni und darum wie schlecht es mir gerade geht. Da bleibt nicht mehr viel Platz übrig für die positiven Gedanken an ein gesundes Baby. Wie soll es denn überhaupt ein gesundes und glückliches Baby werden, wenn seine Mama die ganze Schwangerschaft lang so unglücklich war. Das arme Kind. Es bekommt jetzt schon die Probleme der erwachsenen Welt zu spüren obwohl es noch gar nicht geboren ist.
Wieso allein, ich hab doch so viele liebende Menschen um mich. Aha, wen? Meine Familie schert sich nichts, die haben alle ihre eigenen Probleme und sind mit ihrem Leben zu sehr beschäftigt. Meine Schwester fragt zwar ab und zu per WhatsApp wie es DEM IKUL geht. Das war es dann auch. Ähnlich wie meine Eltern. Die sind eh die schlimmsten, die tun so, als ob sie gar nicht wüssten, dass ich schwanger wäre. Aber ehrlich gesagt hätte ich auch nichts anderes erwartet. Vielleicht irgendwo tief drinnen hab ich gehofft, dass sie sich freuen werden, dass sie nicht noch 10 Jahre warten müssen bis ich mein erstes Kind krieg. Wobei, wahrscheinlich wäre es ihnen eh egal, sie haben ja schon 4 Enkelkinder, das reicht doch eigentlich. Nein, meinem Vater tu ich damit wahrscheinlich unrecht, der freut sich bestimmt. Er zeigt es nur nicht und eigentlich interessiert er sich nicht wirklich. Meine Mutter interessiert sich dafür umso mehr, aber nur für mein Studium. Bzw. nein, das auch nicht. Ihr einziges Interesse ist, dass ich auch wirklich fertig studier und das sobald wie möglich. Das setzt einen ja mal gar nicht unter Druck. So hab ich mir vorgenommen, dass ich ihrem Interesse nachgehe (es ist ja auch irgendwo vernünftig) und dieses Semester noch so viel wie möglich schaff. Ja, aber was ist denn eigentlich in diesem Bereich des möglichen? Vor zwei oder drei Wochen dachte ich noch, dass ich ohne Probleme bis Weihnachten an die Uni gehen kann. Jetzt kommt mir dieser Gedanke jeden Tag absurder vor. Jeder Tag wird anstrengender, der Bauch wird größer, das Atmen und Schlafen schwerer, das Sodbrennen schlimmer. Als arbeitende Frau könnte ich in spätestens ein-zwei Wochen in Mutterschutz gehen und die Füße hochlegen, mich um die Einrichtung in der Wohnung kümmern, noch ein paar Broschüren lesen, mich mehr informieren und mich vor allem „hauptbeschäftlich“ freuen. Das kann ich alles aber in meiner Situation nicht. Bzw. natürlich könnte ich, aber halt nur nebenbei, weil meine Hauptbeschäftigung die Uni ist. Und wenn ich mich jetzt entscheiden würde die Uni einfach sausen zu lassen, würde mir da jemand Vorwürfe machen? Außer meiner Mutter natürlich, weil die würde sich vermutlich ihre restlichen Haare vom Kopf reißen. Vermutlich nicht. Aber viele würden sich denken, dass ich bisschen übertreib und dass das doch nicht so schlimm ist, schwanger zu sein.
Natürlich ist schwanger sein an sich nicht schlimm, im Gegenteil, es ist ja eigentlich schön einen kleinen Menschen in sich zu tragen. Mit dem Gedanken, dass dieser Mensch dich mal Mama nennen wird. Aber halt nur eigentlich. Wenn man so einen Partner hat wie ich ist das schwanger sein schlimm. Ich bräuchte so dringend jemanden an meiner Seite, der mich unterstützt und motiviert und aufmuntert und fröhlich und positiv ist. So wie der normale Ikul, den ich vor 3 Jahren kennen gelernt hab. Ich wünschte er würde mich viel öfter in die Arme nehmen und noch öfter meinen Bauch streicheln und sagen wie sehr er sich freut. Und wie toll ich ausschaue mit meinem Kugelbauch. Und wie wir das alles schaffen und wie er immer für mich da sein wird. Das Gegenteil ist der Fall. ICH muss für IHN da sein und ICH muss IHN unterstützen und trösten und ihm sagen, dass alles gut wird und wir das alles schaffen. ICH muss die fröhliche und gut gelaunte sein, die starke und selbstbewusste. Aber wie kann ich das sein, wenn ich mich so schlecht fühle, kaum schlafe, mir alles weh tut und ich Angst vor der Geburt habe. Wie soll ich da stark sein.
An die Geburt versuche ich so wenig wie möglich denken. Und wenn dann versuch ich mir zu denken, dass es schon so viele Frauen vor mir geschafft haben. Aber dann stell ich mir vor, wie der Ikul im Kreissaal neben mir steht und mich mit seinem leeren Blick anschaut und nichts tut und nichts sagt und noch mehr Angst hat wie ich. Wie hilfreich ist das. Und ähnlich schlimm sind auch die Gedanken wie es denn NACH der Geburt sein wird. Darf ich dann, so wie jetzt, alle positive Energie alleine verbreiten? Wenn das Kind schreit und schreit und der Ikul nur da stehen wird und nichts macht und nichts sagt und wahrscheinlich auch noch traurig oder bedrückt oder einfach negativ eingestellt ist und sich denkt womit er es verdient hat jetzt in dieses Situation schon Vater zu werden. Was mach ich dann? Bin ich diejenige, die dann Kind UND Vater trösten muss?
"Es wird ja schon besser". Das ist der Satz mit dem mich Ikuls Familie schon seit Wochen tröstet. Mit dem ICH mich selber tröste. Mit dem ICH DEN IKUL tröste. Aber wenn man diesen Satz nicht mehr seit Wochen, sondern schon seit Monaten benutzt, glaubt man langsam selber nicht daran. Also ich zumindest nicht. Ikuls Familie sieht es natürlich anders, die sehen ihren Ikul nur einmal die Woche oder noch seltener. Da merkt man natürlich schon Unterschiede. Ich muss mich mit dem depressiven Ikul jeden Tag auseinander setzen und jeden Tag auf neue hoffen, dass der nächste Tag besser wird. Wird er aber nicht. Erst wenn ich mir den selben Tag in einer Woche anschauen würde, der wäre besser. Natürlich ist das nichts im Vergleich zu der manischen Phase, die war eine absolute Katastrophe. Da hat mich auch Ikuls Familie viel mehr unterstützt. Mittlerweile frage ich mich aber, ob das nicht einfach nur daran lag, dass sie sich mehr Sorgen um den Ikul als um mich gemacht haben. Natürlich war das so. Wortwörtlich natürlich. Jeder macht sich mehr Sorgen um den eigenen Sohn oder Bruder als um seine Freundin. Auch wenn die Freundin schwanger ist. Und das ist eben der entscheidende Punkt. Während der manischen Phase war ich auch schon schwanger, aber hab es nicht so sehr mitbekommen. Der einzige Nachteil für mich war, dass ich kein Alkohol trinken und keine Zigaretten rauchen durfte/wollte. Oder auch Vorteil, je nachdem. Ich wäre sonst wahrscheinlich mit einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus gelandet. Gut, dann hätten wenigstens die anderen gemerkt wie schlecht es mir ging. Ja genau, so sind meine Gedanken mittlerweile. Ich wünschte die Leute würden sehen wie schlecht es mir geht. Aber es sieht keiner. Der einzige, der es sehen könnte ist Ikul. Aber der sieht es in seinem Zustand auch nicht.
Wie gesagt, ich hab mich noch nie so alleine gefühlt.


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11.12.2017 22:53
#2
ba

Hallo Lilly,
ich habe deinen Beitrag gelesen und fand es sehr passend formuliert. Man fühlt sich allein. Ich bin Partnerin eines Bipolaren und ich verstehe dich. Ich bin nicht schwanger aber ich habe 2 Kinder, die ich in diese Beziehung mit rein gebracht habe. Eine Schwangerschaft ist nicht immer leicht, sie verlangt körperlich und psychisch viel von dir ab und dann noch einen Partner zu haben, der scheinbar bipolar ist, das ist schon sehr schwierig.
Ist er denn bei einem Arzt? Woher weißt du, dass er bipolar ist?
Ich wünsche dir viel Kraft, denn die wirst du brauchen und vielleicht wirst du auch eine vorübergehende Trennung brauchen, um für dein Baby da sein zu können, so wie es das Kleine verdient hat. Ikul sollte in eine Klinik gehen. Ich mag Ärzte nicht besonders und stelle auch viele Entscheidungen in Frage, die sie in unserem Namen fällen wollen, aber er braucht Hilfe, damit er sein Leben wieder auf die Reihe bekommt. Für ihn, für dich und für das Baby.

LG Bastisbaby


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