Wie gehen Angehörige mit den eigenen Gefühlen um?

07.12.2017 22:01
avatar  Dajo ( gelöscht )
#1
Da
Dajo ( gelöscht )

Hallo zusammen.
Ich bin neu in diesem Forum. Vielen Dank erstmal an die „Macher“, dass es sowas wie dieses überhaupt gibt.

Ich bin seit einiger Zeit auf der Suche nach Hilfe, Austausch und Erfahrungen anderer Angehöriger. Ich habe bisher viel über sogenannte Verhaltensregeln für Angehörige gelesen und versuche die auch umzusetzen. Aber ich suche jetzt selber Hilfe. Hilfe mit den Gefühlen die bei mir ausgelöst werden umzugehen. Vielleicht geht es ja anderen Angehörigen ähnlich.
Zu meiner Situation
Ich bin 39 Jahre alt und seit gut 1 1/2 Jahren mit meiner Verlobten zusammen. Wir sind jetzt knapp 5 Wochen verlobt.
Sie hat mir ganz am Anfang der Beziehung gesagt, dass sie bipolar ist und dass es schwierig mit ihr ist, wenn sie in einer manischen Phase ist. Sie hat mir viel über ihre manischen Phasen erzählt. Ich bin mir zwar nicht ganz sicher, aber ich denke Anfang des Jahres bis Mitte des Jahres war sie in einer Hypomanie. (Ich hoffe die Begriffe sind alle korrekt, ich bin kein Arzt aber ich glaube ihre manische Phase ist längst nicht so stark wie andere Betroffene in Foren geschrieben haben, durch ihre Erzählung und auch durch das wie ich sie Anfang des Jahres erlebt habe, und deshalb habe ich den Begriff Hypomanie benutzt).
In dieser Phase kam ich doch relativ gut mit ihr zurecht und hatte, besonders nachdem ich angefangen habe mich ausgiebig mit der bipolaren Störung zu beschäftigen und viel gelesen habe. Unsere Beziehung stand zwar ab und an auf der Kippe aber irgendwie kam ich damit relativ gut klar.

Vor ungefähr 3 Wochen merkte ich das sie sich verändert. Ich habe am Anfang nicht erkannt was los ist und dachte, dass es irgendwas mit unserer Beziehung zu tun hat, heute bin ich mir relativ sicher dass es der Beginn der depressiven Phase war in der sie mittlerweile voll drin steckt. Über diese Phase hat sie mir nicht viel erzählt. Nur das sie dann deprie ist und öfter in Ruhe gelassen werden möchte/muss.
Für mich ist es jetzt das erst mal das ich das direkt miterlebe und muss sagen ich bin fast schon überfordert bzw. Erschlagen mit welcher Wucht die Depression diese tolle Frau die ich sehr liebe verändert hat.

Neben den Veränderungen wie Antriebslosigkeit, Müdigkeit, Gleichgültigkeit u.ä. macht mir persönlich und meiner Gefühlswelt sehr zu schaffen dass sie nicht mehr liebevoll ist (kein „Fahr vorsichtig“ kein „ich liebe dich auch“ nachdem ich ich liebe dich gesagt habe oder ähnliches), keinerlei Aufmerksamkeiten mehr. Auch ihr verändertes Sozialverhalten ist für mich schwer. Sie bindet mich in ihre Aktivitäten nicht mehr ein, sie ist ununterbrochen am WhatsApp Nachrichten mit Gott und der Welt schreiben (ununterbrochen ist keine Übertreibung, außer sie schläft gerade), dabei existiere ich quasi nicht mehr, kann kein Gespräch mit ihr führen, auch über alltägliches wie Wäsche waschen oder ähnliches nicht, da die Nachrichten auf dem Handy allesamt wichtige zu sein scheinen als das was ich gerade sage. Sie ignoriert mich dabei so sehr, dass ich manchmal einen Satz 2 oder 3 mal wiederholen muss bis sie ihn realisiert hat.
Falls ich dann mal sagen, dass ich gerne mit ihr was machen möchte oder irgendwo mit hin möchte, sagt sie sofort: oh man, was ist los mit dir, du bist ja in den letzten Tagen eine richtige Klette geworden.

Die Realität sieht aber anders aus. Bevor die aktuelle Phase anfing, hat sie mich wirklich immer in ihre Aktivitäten eingebunden, bzw. gefragt „möchtest du mit.“ oder „wäre schön wenn du mitkommst“ und der gleichen, egal ob in einer normalen Phase oder der (Hypo)Manie die ich miterlebt habe.
Außerdem sucht sie nun häufig nach Gründen warum wir nicht zusammen passen. Also um es in einem Satz zu sagen: Wüsste ich nicht, das sie Bipolar ist und gerade in der Depression steckt wäre ich mir 100 % sicher, dass sie mit der Beziehung abgeschlossen hätte und Schluss machen möchte, oder schlimmer, bereits jemand anderen hat.

Ich weiß durch viel Artikel und Forenbeiträge das dieses Verhalten bei Betroffene typisch sein kann und ich versuche immer die Ratschläge die ich gelesen habe zu befolgen. Mit allerdings eher mäßigem Erfolg.
Ich bin selber ein Mensch, der kein super großes Selbstvertrauen hat. Ich beziehe ganz schnell ihr abweisendes Verhalten auf mich und mache mir große Sorgen über die Beziehung. Ich liebe sie sehr und weiß dass ich mein Leben mit ihr verbringen möchte.
Ich fühl mich jetzt zurück gewiesen, zurück gestoßen ja teilweise schon als lästig. Durch mein Wissen über die bipolare Störung gelingt es mir teilweise dieses Gefühle zu ignorieren bzw. Sie nicht zuzulassen. Aber halt leider nur teilweise und deswegen benehme ich mich ihr gegenüber völlig falsch. Dadurch das sie merkt, dass es mir gerade wegen ihr nicht gut geht kann ich mir vorstellen, macht sie sich Vorwürfe, zweifelt an der Beziehung, daran ob es wirklich dauerhaft passt.

Meine Gefühlswelt kann ich hier gar nicht so richtig wieder geben, nur kann ich sagen, dass es mir trotz allem Wissen richtig mies geht. Meine Gedanken kreisen ständig um die Beziehung, ich erwische mich dabei wie ich jede Kleinigkeit auf die Goldwaage lege und es mir dann noch ein bisschen mieser geht.
Deshalb würde ich mich sehr freuen, wenn es hier Angehörige gibt, die ähnliche Problem mit ihren eigenen Gefühlen haben und Tips für mich haben, dass ich damit besser umgehen kann.
Genauso wäre es schön von betroffenen zu hören was sie wirklich in der depressiven Phase brauchen, wie sie dann über eine Beziehung denken und auch mir und anderen Angehörige die ein ähnliches Problem haben einen Ratschlag geben könnten wie man diese Phase durch halten kann.

Ich weiß nicht wie lange ich diese Gefühlskälte ertragen kann. Zum Selbstschutz ist natürlich der letzte Ausweg die Beziehung zu beenden aber auf der anderen Seite geht es hier ja hoffentlich „nur“ um ein paar Wochen bzw 2 3 Monate. Dazu liebe ich sie viel zu sehr um ein Schlussstrich zu ziehen. Ich will ihr helfen, ich will für Sie da sein, ich will es schaffen sie durch diese schwere Zeit zu begleiten. Auch wenn das immer wieder vorkommt. Aber solange ich selber unsicher werde und Angst habe sie aufgrund der Depression zu verlieren kann ich ihr nicht helfen und glaube auch dass ich dadurch alles nur schlimmer mache.


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14.12.2017 20:53
#2
ba

Hallo Dajo,
ich bin selber noch nicht lange in diesem Forum, aber ich habe deinen Beitrag gelesen und möchte versuchen, dir ein wenig Mut zu machen.
Ich bin seit 1,5 Jahren mit einem bipolaren Mann zusammen. Zum Glück hat er nicht solche Anwandlungen wie deine Partnerin, zumindest nicht in der Depression. In der Hypomanie sieht es da schon ein Stück weit anders aus. Aber lassen wir das mal beiseite.
In erster Linie, und das ist das, was ich auch durch diverse Lektüre weiß, zeig/sag ihr, dass du gerne für sie da bist. Sie ist gerade in ihrer inneren Welt. In dieser Zeit der Depression, und das weiß ich von meinem Partner, werden in Bezug auf jedes Thema, also auch auf die Beziehung, eher negative Gefühle hoch geschwemmt und kreisen im Kopf. Das ist nicht sie selbst, das ist die Erkrankung. Deshalb stellt sie die Beziehung auch in Frage und empfindet deine Anwesenheit auch als negativ.
Du musst in erster Linie auf dich selber achten, denn nur dann kannst du auch ein starker Partner für sie sein.
Deine Ausführungen klingen ein wenig nach einer Co-Abhängigkeit, was bei Angehörigen von psychisch Kranken oft auch Thema ist. Vielleicht beliest du dich in diese Richtung ein wenig.
Mach viel für dich selbst, mache Sport, gehe mit Freunden aus, lies etwas, mach Dinge, die dir Freude machen.
Mit einem bipolaren Partner zusammen zu sein, kann dir den Blick auf die Welt und alles in ihr ins positive verändern, denn du musst lernen Achtsamkeit zu leben und das machen die Menschen in der heutigen Zeit eh viel zu wenig, ob nun psychisch krank oder sozusagen gesund macht da keinen Unterschied.
Ist deine Partnerin in ärztlicher Behandlung und nimmt Medikamente?

LG bastisbaby


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